Eingewöhnungszeit - Hafenzeit


HAFENZEIT

Hallo ihr Lieben. 

Ich wünsche Euch einen schönen guten Montagmorgen. 
In NRW startet heute das neue Kindergartenjahr. 
Für viele Kinder, aber auch KollegInnen und Teams bedeutet es Neuanfang und Veränderung.

Gruppen sind neu zusammen gesetzt, alte Strukturen aufgebrochen und das “Eingespielte” und Vertraute muss sich erst finden. 

Aber, um es mal mit Worten von Hermann Hesse zu sagen: 

”Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne..”

Die Zeit nach dem Abschied. 
Ein Neubeginn birgt Chancen, eine spannende Zeit, die viele Eindrücke, Erfahrungen, Begegnungen, Bewegung mit sich bringt. Ich wünsche Euch an dieser Stelle also nicht nur einen guten Start in ein neues Kindergartenjahr, sondern auch ganz viel Spaß und zauberhafte Momente.

Ganz besonders denke ich in dieser Zeit an alle KollegInnen, die ihren allerersten Tag in einer Einrichtung haben. 
Ich kann mich noch soooo gut an meinen 1. Tag im Vorpraktikum erinnern. Ich war aufgeregt und machte mir im Vorfeld Gedanken, was mich die Kinder wohl fragen werden. Ich kümmerte mich vorbereitend also um mein Allgemeinwissen, lustigerweise lag mein Fokus auf eher schulischen Themen und politischen Fragen rund um Weltgeschehen und Regionalpolitik

Geschadet hat es mir natürlich nicht, aber bis heute hat mich kein Kind danach gefragt. 
Und selbst wenn…mittlerweile weiß ich: Ich bin nicht dazu da, den Kindern die Welt aus meiner Sicht zu erklären und allwissend zu sein. 
Meine pädagogische Haltung und mein Rollenverständnis lässt sich mit 
Lernbegleitung 
beschreiben. Ich begleite das Kind auf seinem Weg. Ich bin offen, um mit ihm gemeinsam die Welt zu erkunden und zu erforschen. In meiner Ausbildung zur Fachkraft für Frühpädagogik bei Anja Cantzler im Haus Neuland stand als Fazit unter meiner Abschlussarbeit:

”Ich bin kein Animateur-
ich sehe mich als ein Assistent des Kindes”

Das bringt es- denke ich - immer noch gut auf den Punkt. 

Zuhören, Abwarten, ehrlich Ich-sein….Philosophieren, Hinterfragen, Explorieren… Brücken bauen, möglich machen, Umgebung pflegen und Material beschaffen.. das sind einige der Zutaten, auf die es für mich ankommt. 

Heute … unfassbare 33 Jahre nach meinem Vorpraktikumsbeginn… habe ich mir neben einem klaren Rollenverständnis auch ein gutes Rüstzeug für alle Wetterlagen im beruflichen Alltag angelegt. Zum Einen sind es natürlich die Erfahrungen unterschiedlichster Art, die mich reifen lassen und prägen. 
Zum Anderen sind es Weiterbildungen, Reflexionen und Begegnungen die mich motivieren und in Bewegung halten.

Und eine sehr fundierte, schulische Ausbildung in der “Vinzenz von Paul Schule” in Duderstadt und facettenreiche Ausbildungsorte legten eine gute Basis. Was habe ich geschwitzt über schriftlichen Angebotsplanungen, die jede, aber auch wirklich jede Eventualität in Schrift und Wort berücksichtigen musste - nur damit beim Lehrerbesuch dann natürlich irgendwas ganz anderes passierte. 
Jedes noch so kleinste Detail sollte bedacht werden- Einführung, Hauptteil, Schluss- Kinderzahl, Durchführungsort, Beleuchtung….und dann fiel der Strom aus ;) 
Aber dieses detaillierte Planen und Vorbereiten, diese umfangreichen Erfahrungen und emotionalen Herausforderungen trage ich heute in meinem kleinen Werkzeugköfferchen mit mir herum.
Ich habe ein großes Repertoire an Liedern und Spielen- die ich mal auswendig lernen “musste” - und die heute immer noch abrufbar sind. Und darüber hinaus scheint es in meinem Herz und meinem Hirn ein großes Areal für kreative Lernmethoden zu geben- denn neue Ideen zu erfinden und Geschichten zu schreiben belebt und beflügelt mich.

Und wie ich in den Sternstunden- Seminaren immer wieder erleben darf: euch auch. An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön. 



Wenn ich also die Erfahrung gemacht habe, das ein gut sortiertes Methodenköfferchen, eigene Rituale und Ressourcen Sicherheit bedeuten - und somit ja quasi eine erweiterte Komfortzone “to go” bedeutet- dann liegt es ja nah, dieses Wissen und diese Hilfe auch mit Blick auf die Kinder und ihre Familien anzuwenden.

Die Kinder und ihre Familien kommen zu uns in die Einrichtungen- sie verlassen also ihr vertrauten Heimathafen und erkunden einen neuen, temporären Ankerplatz.
Das Bild von einem Hafen und den verschiedensten Gewässern mit unterschiedlichen Möglichkeiten und Anforderungen verbildlich ganz hervorragend die Situation in der Eingewöhnungszeit. 

Was braucht ein sicherer Hafen? 

Stellt euch mal einen Hafen vor… nun entstehen schon ganz unterschiedliche Bilder in unseren Köpfen. 
Es könnte eine idyllische Marina mit lauem Lüftchen und entspannter Stimmung sein. Oder aber der Hamburger Hafen zur Hochsaison. Schick und elegant (und stets Gewimmel) am Anleger für Kreuzfahrtschiffe. Oder eher Frachtschiffcharakter- gut organisiert, groß und geschäftig? 
Ein Anleger am See für Tretboote für die ganze Familie oder eher Ausbildungsstätte für Nachwuchstalente im 1er Kajakfahren? 

Vielleicht ist das ja mal eine interessante Fragestellung für das Team? “Was macht für mich ein sicheren und einladenden Hafen aus?” “Wie wollen wir wirken, was möchten wir bieten und wie erreichen wir das?”
So bleibt die Urlaubsstimmung noch etwas erhalten und ihr könnt im Team eure Willkommenskultur reflektieren. 

Was braucht also mein Hafen, um einladend und vertrauensvoll zu sein? In jedem Falle spielen Mitmenschen, Geräusche, Umgebung, Gerüche, Beleuchtung und ein gewisses Maß an Ordnung und Übersichtlichkeit dazu. 
Eine sichere Crew, ein freundlicher Kapitän, und selbsterklärenden Hinweise und bebilderte Schilder helfen mir beim zurechtfinden. Lotsen, Bojen, Fahnen und Beleuchtung helfen, begleiten, unterstützen. 
Rettungsringe sind griffbereit.

Da sind sie also wieder- die Rituale, die Struktur, die Klarheit, die Sicherheiten vermitteln…

Im Hafenbecken liegen unterschiedlichste Boote. Flotte Flitzer, die mit Motorkraft und Abenteuerlust möglichst schnell viel erkunden möchten. Stille Segler, die bei idealen Bedingungen so richtig Fahrt aufnehmen. Ruderboote, die kleinere Runden bevorzugen und häufiger einen kleinen Hilfsmotor benötigen. Sportliche Kanus und gemütliche Schlauchboote. 
Alle ausgestattet mit Rettungswesten, die sie mehr oder weniger häufig in Gebrauch nehmen. 

Alle Boote schwimmen im gleichen Wasser- haben aber ganz unterschiedliche Bedürfnisse. 
Auch die SeefahrerInnen, die schon länger in unserem Gewässer unterwegs sind, müssen sich neu orientieren. Da sind neue, kleine Boote unterwegs- unsicher und unerfahren. Oder vielleicht kommen ihnen plötzlich neue, starke Rennboote in die Quere? Segelfreunde werden vermisst, neue Manöver erlernt, die Reichweite der eigenen Strecke erhöht. 

Und wie mag es den Eltern gehen, die am Hafen den ersten Ausflügen zuschauen? Wenn ich mir dieses Bild vor meinem inneren Auge mal genau vorstelle, wird mir wieder einmal klar, wie wichtig es ist, transparent zu arbeiten.
Stromschnellen und Untiefen gibt es - aber wir als Crew sind segelfest sturmerprobt. 

Lotsen, Rettungswesten, Bojen, Nebelhörner, Seekarten und Erfahrungen sorgen für Sicherheit. Um sich davon zu überzeugen, das auch im großen Hafengewimmel kein Boot untergeht brauchen alle - groß und klein - Zeit um Vertrauen aufzubauen. 
Und “Eltern mit ins Boot holen” bekommt so noch einmal eine ganz andere, tiefere Bedeutung. Denn wenn ich sie mitnehme auf die ersten Fahrten in den Booten ihrer Kinder, können sie sich ein anderes Bild machen als wenn sie am Kai durchs Fernglas gucken. 

Je übersichtlicher und strukturierter sich mein Hafen mit seinem Regelwerk, Richtlinien und Hinweisen darstellt, desto einfacher finden sich alle SeefahrerInnen und Hafenbesucher sich dort zurecht. 
Das gilt auch für neue Crewmitglieder. Denn auch erfahrene SeebärInnen mit viel Erfahrung müssen neue Gewässer erkunden und brauchen Bojen, um nicht auf Sand zu setzen. 

Die Eingewöhnungszeit ist immer eine besondere aber auch eine besonders herausfordernde Zeit für alle Beteiligten. Aber sie kann auch prägen und für immer in Erinnerung bleiben. Ich wünsche euch allen eine schöne Anfangszeit mit bunten und positiven Momenten voller Wertschätzung und Respekt. 

PS: Meine Erinnerung vom ersten Praktikumstag ist übrigens eine Beule an der Stirn, da der damals noch kleine Sebastian seinen Unmut über den wechselnden Ankerplatz mit einer Baulatte kund getan hat. Auch das habe ich gelernt : Manche Emotionen sollte ich buchstäblich nicht zu nah an mich dran lassen ;-)

So, nun verabschiede ich mich mit einem fröhlichen Hupen des Nebelhorns und lasse euch noch eine kleine Koffergeschichte mit Schaf und Esel da. 
“Der erste Tag im Kindergarten” 
Vielleicht wird diese kleine Mutmachgeschichte ja zum Ritual in eurer Einrichtung
viel Spaß damit - 

Ich wünsche Euch immer eine handbreit Wasser unterm Kiel 
Ahoi Eure Mareike



1 Aufgrund des Kleinunternehmerstatus gem. § 19 UStG erheben wir keine Umsatzsteuer und weisen diese daher auch nicht aus.